Freitag, 21. Oktober 2016

BDC-Pressemitteilung: BSG-Urteil gefährdet chirurgische Versorgung


Das jüngste Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) zur Nachbesetzung von chirurgischen Vertragsarztsitzen gefährdet die zukünftige Patientenversorgung in chirurgischen Arztpraxen. Zu diesem Schluss kommt der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC). Der Rechtsspruch des BSG verbietet die Übernahme einer bestehenden chirurgischen Facharztpraxis durch den größten Teil der niederlassungswilligen Fachärzte aus dem Gesamtgebiet der Chirurgie.

Das Gericht hat festgelegt, dass nur noch Praxen übernommen werden dürfen, deren Inhaber neben dem Facharzt für Chirurgie auch die Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie führt. Damit wird die Weitergabe eines Großteils der chirurgischen Praxen nicht mehr möglich sein. „Die Kollegen werden keine Nachfolger mehr finden, da abgesehen von wenigen Spezialisten die Kernarbeit in der Betreuung von Patienten mit Erkrankungen oder Verletzungen des Bewegungsapparates liegt.“ erklärte Dr. med. Jörg-A. Rüggeberg, Vizepräsident des Berufsverbandes. „Unabhängig von der existentiellen persönlichen Katastrophe durch den Verlust der Altersvorsorge in Form des nicht mehr veräußerbaren Praxiswertes, stehen wir vor einem flächendeckenden Verlust einer wichtigen Behandlungsebene für die Bevölkerung in Form der ambulanten Basischirurgie.“ so Rüggeberg. „Ein kompletter Versorgungsbereich wird durch Richterspruch abgeschafft werden, und die Patienten werden stattdessen die Krankenhausambulanzen aufsuchen müssen, die für diese Aufgabe keine ausreichenden Kapazitäten besitzen.“

Hintergrund der Entscheidung ist eine Veränderung der Weiterbildungsordnung im Gebiet Chirurgie. Während früher ein Chirurg grundsätzlich die Weiterbildung Chirurgie, dann später ggf. mit Schwerpunkten wie z. B. Unfallchirurgie abgeschlossen hatte, um sich dann als Chirurg niederzulassen, gibt es den Facharzt für Chirurgie heute nicht mehr. Stattdessen ist das Gesamtgebiet aufgeteilt in acht verschiedene Fachsäulen, z. B. Gefäßchirurgie, Kinderchirurgie und Orthopädie/Unfallchirurgie. Auch der bisherige Facharzt für Orthopädie ist abgeschafft worden und mit der Unfallchirurgie zu einem gemeinsamen Facharzt verschmolzen. Allerdings ist trotz dieser Änderung der Facharztweiterbildung die sogenannte Bedarfsplanung, welche die Nachbesetzungsmöglichkeiten bestehender Praxen regelt, nicht geändert worden. Hier gibt es unverändert zwei getrennte Planungsbereiche Orthopädie und Chirurgie, obwohl die zugehörigen Fachärzte in dieser Form nicht mehr nachgebildet werden.

Der Gemeinsame Bundesausschuss als Normgeber für die Bedarfsplanung hat bisher keine neue Form beschlossen, lediglich eine Art Durchführungsbestimmung erlassen, wonach die neuen Fachärzte für Orthopädie/Unfallchirurgie einen bisherigen Chirurgensitz übernehmen können, wenn der Sitzinhaber überwiegend unfallchirurgisch-orthopädisch tätig war.
Dringend geboten ist daher eine umgehende Änderung der Bedarfsplanung durch den gemeinsamen Bundesausschuss, um die geänderte Weiterbildung von Chirurgen und Orthopäden so zu berücksichtigen, dass

auch weiterhin eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit basischirurgischen und daneben auch hochspezialisierten chirurgischen Behandlungsformen garantiert wird. „Es darf nicht passieren, dass Gerichte in die chirurgische Versorgungslandschaft eingreifen, nur weil notwendige Entscheidungen nicht rechtzeitig getroffen werden“, so auch Professor Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen.

(Berlin, 14. Oktober 2016)